Dienstag, 9. November 2010

Wie die Dinge sich ändern

So, endlich komme ich zu einer neuen Nachricht aus meiner verregneten Heimatstadt, wo die Leute so langsam mit dem Weihnachts-Stress-Shopping beginnen. Wie ihr seht, bin ich umgezogen und das verdanke ich ausgerechnet Daniel. Leider war ich mit wordpress ziemlich überfordert und als er mir beim Frühstück zwischen zwei Tässchen Espresso erzählte, dass seine neue Freundin hier bloggt, dachte ich mir, das probiere ich auch.

Was gibt es noch Neues? Ach ja, ich muss sagen, dass ich wirklich überrascht bin, wie viele von euch sich in den vergangenen Tagen laut Statistik schon auf meinem Blog eingefunden haben. Das freut mich natürlich und bestärkt mich darin, dieses doch ziemlich intime Tagebuch hier weiterzuführen.

Und damit wären wir auch wieder beim Thema. Ihr wisst ja schon, dass ich auf der Straße arbeite und nicht etwa wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen in einem Bordell oder Saunaclub oder zu Hause. Dass ich das tue, hat zwei hauptsächliche Gründe: Ich bin mein eigener Herr und ich muss den Job nicht in meinen Privatbereich lassen. Trotzdem hat es natürlich auch seine Nachteile, draußen zu arbeiten- es ist kalt, man hat keinerlei Sichtschutz und man hat viel mit Leuten zu tun, die einem vor Augen führen, wie schlecht man es doch haben kann.

Bei uns auf dem Strich zum Beispiel gibt es diesen Typen. Wie er heißt, weiß ich nicht. Er mag so Mitte zwanzig sein, vielleicht etwas jünger. Er schleicht dauernd um uns herum und wenn wir aus den Autos steigen (es gehört zum guten Ton, dass die Freier uns zurück zu unserem Platz bringen), zieht er uns zur Seite und fragt nach Geld. Seine Hände sind eiskalt und zittern und von Woche zu Woche sieht er weniger lebendig aus. Ich weiß nicht, welches Zeug bei den Junkies gerade angesagt ist- Crystal Meth? Crack? Mal wieder Heroin? Ich weiß nur, dass er irgendwas davon nimmt und dass er, wenn wir Huren ihm nichts von unserem Verdienst abgeben, irgendwann zu drastischeren Mitteln greifen wird. Vielleicht bricht er irgendwo ein, vielleicht überfällt er jemanden. Vielleicht landet er im Knast und somit auf Zwangsentzug. Naja, und genau das ist die Sache: Womit helfe ich ihm mehr? Indem ich ihm ein paar Euro gebe und dafür sorge, dass er eine einigermaßen ruhige Nacht hat? Oder indem ich es lasse und abwarte, bis er Scheiße baut und im Knast landet? Es heißt ja, solche Leute muss man fallen lassen. Dann fallen sie und fallen und irgendwann kommen sie ganz unten an. Entweder, sie zerspringen oder sie stehen wieder auf, ordnen ihr Leben neu und sind irgendwann in ihren Selbsthilfegruppen diese leuchtenden Beispiele für eine gelungene Resozialisation. Dann würde dieser Junge vielleicht irgendwann zu uns kommen, mit gekämmten Haaren und sauberen Sachen, und er würde sagen: "Mädels, Danke, dass ihr mich fallen lassen habt. Ihr habt mir das Leben gerettet". Ich war leider noch nie sehr gut im Fallen lassen. Und ihr?

Eure
GloomyFox 

1 Kommentar:

  1. Hi GloomyFox,
    dass mit dem Arbeitsplatz würde ich mir nochmal ernsthaft überlegen (ich hab ja dazu schon einen Kommentar geschrieben). Genau das, was Du gerade beschreibst, passiert Dir in einer Wohnung so leicht nicht. Was soll man mit dem armen Jungen machen, den Du beschreibst? Keine Ahnung! Ich würde mir an Deiner Stelle mehr Sorgen machen, dass er das nächste Mal vielleicht nicht mehr fragt, ob er was bekommt, sondern er sich einfach nimmt, mit Gewalt! Ich würde Dir raten, den Straßenstrich zu verlassen, versuch's doch mal. In einer Wohnung mit anderen, bist Du weitestgehend selbständig und Du kannst Dir solche Typen ersparen. Außerdem wird das Wetter langsam richtig sch...
    Viele Grüße
    Al

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